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Dauser schwenkt mit Titel auf Olympiakurs ein

Lukas Dausers Urschrei bei den deutschen Meisterschaften war vermutlich bis weit vor die Westfalenhalle von Dortmund zu hören. «Da ist das Ding!», jubelte der 27-Jährige vom Bundesligisten TuS Vinnhorst. Mit 82,750 Punkten hatte zuvor in der Mehrkampfentscheidung zum zweiten Mal in seiner Karriere die gesamte Konkurrenz hinter sich gelassen. Viel wichtiger dürfte dem gebürtigen Oberbayern aber sein, dass er vor rund 14 000 leeren Stühlen damit als Führender auf die Zielgerade zu den Olympischen Spielen eingebogen ist. Überraschend auf seine Fersen heftete sich Dausers Vinnhorster Teamkollege Nils Dunkel (80,40). Titelverteidiger Andreas Toba vom Ligakonkurrenten TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau lieferte sich mit den beiden Nordlichtern einen starken Fight, griff aber ausgerechnet an seinem Paradegerät Reck im letzten Durchgang daneben und wurde mit 80,20 Zählern Dritter. Im Kampf um das vierte Olympiaticket haben sich der Straubenhardter Nick Klessing (79,900) und der dritte Vinnhorster im Bunde, Philipp Herder (79,800), in Stellung gebracht.

„Finals“ ART-DM-2021-Dortmund:
Lukas Dauser lässt bei den deutsche Meisterschaften in Dortmund seinen Gefühlen freien Lauf.

Aber frei von Lampenfieber war auch der strahlende Sieger Dauser nicht in den Wettkampf gegangen. «Ich muss zugeben, dass ich schon sehr nervös war, weil es ja nicht nur um die Meisterschaft ging, sondern auch um die erste Olympiaqualifikation», räumte er ein. Dausers Taktik stattdessen war so einfach wie erfolgreich: «Ich habe mir eigentlich keine Gedanken über die Wertungen gemacht, sondern versucht, meine Übungen von vorne bist hinten durchzuziehen», verriet er.

Vizemeister Dunkel war nach seinem überstandenem Bänderriss im Sprunggelenk vom April selbst überrascht von der eigenen Performance. «Ich hab zu meinem Papa vorher gesagt, 78 Punkte sind das, was ich rausholen kann, wenn alles gut läuft. Es sind nun zweieinhalb Punkte mehr geworden. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das so geil wird», freute sich der 24-Jährige und macht sich nun ebenfalls berechtigte Hoffnungen auf ein Tokio-Ticket. «Wenn ich mich nächste Woche noch einmal ähnlich präsentieren kann, stehen die Chancen nicht schlecht», ist gebürtige Erfurter überzeugt. Die fehlende Zuschauerkulisse in der riesigen Arena sei ihm während des Wettkampfes gar nicht so aufgefallen. «Klar, wenn die Ränge voll gewesen wären, wäre es laut gewesen und man hätte sich vielleicht noch ein bisschen mehr gepusht. Aber da ich so sehr mit mir selbst beschäftigt war, ich hab das tatsächlich gar nicht so mitbekommen», sagte er.

Große Geste von Andreas Toba.

Auch Andreas Toba haderte nach dem Ende noch ein bisschen mit seinem Fehlgriff am Reck. «Alle die mich kennen wissen, dass ich extrem kritisch mit mir selbst umgehe. Natürlich regt mich das mit dem Reck schon auf», erklärt er. Doch das können eben immer mal passieren. Dass auch er sein Olympiaticket trotzdem schon in greifbarer Nähe hat, dürfte ebenfalls kein Geheimnis sein. Deswegen wird Toba erst einmal nicht klotzen, sondern zeitnah mit seinem Trainer die genaue Vorgehensweise bis zur 2. Qualifikation in München abstimmen.  Eines jedoch hat selbst da noch Vorrang: «Jetzt muss ich mich erstmal von diesem Wettkampf erholen», betonte der Vize-Europameister am Reck. Auf dem Siegerpodest gab es von Toba noch ein Geste in Richtung seines Freundes Marcel Nguyen. Der 30 Jahre alte Routinier trug ein T-Shirt mit einem Bild von ihm selbst und und dem Nationalmannschaftsgefährten mit sich, der sich vergangene Woche im Training seinen zweiten Kreuzbandriss zugezogen hatte. Während die Spiele für Toba nun greifbar nahe sind, ist für den den drei Jahre älteren Nguyen der Traum von der vierten Olympiateilnahme bereits endgültig ausgeträumt.

04. Juni 2021
von Nils B. Bohl

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