Die Krone wechselt den Besitzer - DTL-Turner räumen im Mehrkampf ab

Gleich drei DTL-Turner standen am Freitag bei der Turn-WM in der Mehrkampfentscheidung der Männer auf dem Siegertreppchen von Stuttgart. Der Titel bleibt in Russland, sein Halter jedoch ist neu: Nikita Nagornyy von der TG Saar hat die Krone der Mehrkämpfer von seinem Landsmann Artur Dalaloyan übernommen. Der 22 Jahre alte Turner aus Rostow am Don heimste nach dem Team-Gold am Mittwoch bereits seinen zweiten WM-Titel ein. Mit 88,772 Punkten blieb er am Ende deutlich vor Titelverteidiger Dalaloyan (87,165).

Der neue Weltmeister war mit der eigenen Leistung am Ende sehr zufrieden. «Die Goldmedaille bedeutet in erster Linie, dass ich wohl gut trainiert habe. Ich habe keine darüber hinausgehenden Emotionen für sie, denn wir haben alle unsere Anstrengungen diesmal in die Teammedaille gesteckt», verriet er nach dem Wettkampf. Das Publikum, das betonte er besonders, sei sehr unterstützend und elektrisierend gewesen. Ob er nun auch als Favorit auf den Olympiasieg in Tokio gelten muss - Nagornyy weiß es nicht. «Wir sollten nicht auf diese Weise in die Zukunft denken. Wir sollten einfach hart weiterarbeiten. Und dann wird das Ergebnis unserer Arbeit zeigen, ob es möglich sein wird oder nicht», sagte er.

Die Vorbereitung von Teamkollege und Freund Dalaloyan fand diesmal unter ganz besonderen Umständen statt, an Schlaf war da nicht immer zu denken. «Natürlich ist es eine völlig neue Situation, wenn man sich nachts um seine Tochter kümmern muss. Aber ich habe eine junge Ehefrau, die auch zuhause etwas erledigen kann. Denn natürlich musste ich hart arbeiten, schließlich war das hier eine WM. Aber in meinem Kopf hatte ich die Familie immer», erklärte der junge Vater.

Und trotz aller Konkurrenz im Mehrkampffinale, sein Verhältnis zum Teamkollegen Nagornyy sei hervorragend. «Wir sind gute Freunde, unsere Familien sind befreundet, wir trainieren in der derselben Halle und stehen im selben Team. Daher ist unser Verhältnis auch schon immer ein gutes gewesen», sagte Dalaloyan.

Nicht nur seine Teamgefährten von der TG Saar brachte Turnlegende Oleg Verniaiev im Finale zum Jubeln. Mit 86,973 Zählern turnte sich der 26-Jährige noch auf den Bronzerang und sorgte für kollektive Feierstimmung im ukrainischen Lager. «Ich bin gerade so müde, ich habe gerade keine Kraft, noch nicht einmal Emotionen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll», sagte Verniaiev nach dem Wettkampf. Aber er werde noch so lange weitermachen, bis er einen Mehrkampftitel bei einer WM und ein olympisches Mehrkampf-Gold gewonnen habe. «Das ist immer noch mein Ziel. Ich stehe erst am Anfang. Wir haben ja noch Zeit. Und vielleicht werde ich meine Karriere nach Tokio ja auch nicht beenden, wir werden sehen», orakelte er.

Die größte Motivation bei den Weltmeisterschaften habe er aus der Medaille gezogen. «Als ich nach der Qualifikation das Bild der Medaillen gesehen habe, war ich so traurig. Ich habe mir gesagt, das ist die schönste Medaille, die ich jemals gesehen habe und ich stehe nicht im Barrenfinale», erzählte er. Doch jetzt sei er einfach nur noch froh. «Ich habe tatsächlich ein Exemplar dieser Medaille gewonnen», sagte er überglücklich. Im Wettkampf sei er auch auf viele Bekannte aus der Bundesliga getroffen. «Nicht nur, dass drei Turner auf dem Podium standen. Da standen sieben oder acht Bundesligakollegen mit mir im Finale. Das sind ganz schön viele», fand er. Verwundert sei er darüber aber nicht. «Es ist eben für alle immer wieder eine gute Erfahrung, da zu turnen», sagte er. Wie auch die beiden russischen Medaillengewinner kündigte Verniaiev an, nach der WM wieder in der Bundesliga an den Start zu gehen.

Trauer dagegen bei den Chinesen, die am Vortag im Mehrkampffinale der Frauen noch eine silberne Medaille durch die 16-jährige Tang Xijing feiern durften. Doch Xiao Ruoteng, der nach fünf Durchgängen ebenfalls noch auf Silberkurs gelegen hatte, verspielte am Reck nach einem misslungenen Tkatchev mit halber Drehung alle Chancen, musste vom Gerät und landete am Ende auf dem undankbaren vierten Platz.

Dalaloyans Wetzgauer Teamgefährte Andreas Toba erwischte am Pauschenpferd (12,566/D:5,4) einen schlechten Start in den Wettkampf. Seine Aufholjagd mit dem begeisterten Stuttgarter Publikum im Rücken endete vom letzten Platz aus mit 81,640 Punkten am Ende auf Rang 19. «Wackler an meinen Scheren und auch die Ringe sind hin und her geschwungen. Aber was soll ich Trübsal blase, ich empfinde Freude und Dankbarkeit, dass ich das alles hier erleben durfte», sagte Toba, der als einziger deutscher Mehrkämpfer den Sprung ins Finale der besten 24 geschafft hatte.

11. Oktober 2019
von Thomas Zeier

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