WM TURNEN | ANTWERPEN
Die Weltmeisterschaften der Rückkehrer sind Geschichte

Man könnte sie die Weltmeisterschaften des Comebacks nennen: Zehn Jahre nach ihrer letzten Ausgabe im belgischen Antwerpen und 120 Jahre nach der ersten Weltmeisterschaft im Kunstturnen in der Diamantenstadt, war es die Rückkehrer, die im Mittelpunkt standen.

Die Wiederauferstehung der Simone Biles

Das beste Beispiel für dieses Konzept lieferte der berühmteste Name der Sportart: In Simone Biles (USA) kehrte in Antwerpen ein riesiger Star an den internationalen Horizont zurück.

Genau zehn Jahre nach ihren ersten Weltmeistertiteln im Antwerpener Sportpaleis war die Rückkehr von Biles eine Art doppelte Heimkehr. Die 26-Jährige tauchte nicht nur an dem Ort wieder auf, an dem alles für sie begann, sondern das Event markierte auch ihre Rückkehr in die Weltspitze des Kunstturnens. Einen Gipfel, von dem sie noch vor sechs Monaten bezweifelte, dass sie ihn jemals wieder erreichen würde.

Event Weltmeisterin Vize-Weltmeisterin WM-Dritte
Team USA Brasilien Frankreich
Mehrkampf Simone Biles Rebeca Andrade Shilese Jones
Sprung Rebeca Andrade Simone Biles Yeo Seo-jeong
Stufenbarren Qiu Qiyuan Kaylia Nemour Shilese Jones
Schwebebalken Simone Biles Zhou Yaqin Rebeca Andrade
Boden Simone Biles Rebeca Andrade Flavia Saraiva
Event Weltmeister Vize-Weltmeister WM-Dritter
Team Japan China USA
Mehrkampf Daiki Hashimoto Illia Kovtun Frederick Richard
Boden Artem Dolgopyat Kazuki Minami Milad Karimi
Pauschenpferd Rhys McClenaghan Khoi Jung Ahmad Abu Al-Soud
Ringe Liu Yang Eleftherios Petrounias You Hao
Sprung Jake Jarman Khoi Young Nazar Chepurnyi
Barren Lukas Dauser Shi Cong Kaito Sugimoto
Reck Daiki Hashimoto Tin Srbic Su Weide

Nach zwei Jahren der inneren Einkehr hat Biles ihren Frieden gefunden. Und sportlich gesehen erneut eine unglaubliche Meisterleistung vollbracht. Sie führte die US-Frauen zum siebten Mal in Folge zum Mannschaftstitel, holte dann ihr sechstes Mehrkampf-Gold in ihrer Karriere und fügte noch die Titel am Schwebebalken und am Bodenturnen hinzu.

Biles zeigte auch ihren mit Spannung erwarteten Yurchenko mit Doppelsalto gebückt am Sprung. Eine atemberaubende Leistung, die ihr insgesamt das fünfte nach ihr benannte Elemente im Code de Pointage der Frauen einbringt. Darunter auch der schwierigste Sprung bei den Frauen überhaupt. Mit Silber am Sprung gewann sie fünf Medaillen bei diesen Meisterschaften und insgesamt rekordverdächtige 30 Weltmedaillen, mehr als jede andere Turnerin in der Geschichte.

Nicht dass sie mitzählen würde. «Ich habe mir keine Gedanken über die Medaillenanzahl oder die Farbe der Medaillen gemacht. Ich wollte einfach nur da rausgehen und wieder meine Übungen turnen. Es spielt für mich keine Rolle, ob ich auf dem Podium stehe oder nicht. Ich musste mir selbst beweisen, dass ich immer noch hier rausgehen und mich drehen kann. Ich konnte so auch allen, die mich niedergemacht haben, beweisen, dass ich nicht aufgeben werde. Solange ich da draußen bin und wieder turne und die Freude am Turnen wiederfinde, wen kümmert es?», sagte Biles.

Aus deutscher Sicht war das Highlight mit Sicherheit der Titel von Lukas Dauser. Der 30-Jährige vom Tabellenführer KTV Straubenhardt setzte sich am Sonntag die Krone des Königs der Holmengasse auf.
Historische Momente für Brasilien, Japan und Deutschland

Aus deutscher Sicht war das Highlight mit Sicherheit der Titel von Lukas Dauser. Der 30-Jährige vom Tabellenführer KTV Straubenhardt setzte sich am Sonntag die Krone des Königs der Holmengasse auf. Für einen deutschen Turner war es der erste Titel seit Fabian Hambüchens Erfolg am Reck 2007. Der letzte Erfolg am Barren datiert sogar aus der Mitte der Achtziger, als Sylvio Kroll sich für die DDR die Goldmedaille mit dem aus der Ukraine stammenden Sowjetrussen Valentin Mogilny teilte.

Mehrkampf-Silbermedaillengewinnerin Rebeca Andrade aus Brasilien gewann fünf Medaillen. Darunter historisches Gold am Sprung und Mannschaftsbronze, die erste WM-Medaille für eine südamerikanische Nation überhaupt. Andrade ist eine Turnerin, die mehrere schwere Knieverletzungen überwinden musste, bevor sie sich zu den besten Ergebnissen ihrer Karriere emporschwang. Zusammen mit ihrer Teamkollegin Flavia Saraiva holte sie Silber am Boden. Auch sie gewann mit Bronze ihren ersten Einzel-Titel, nachdem sie ein Jahr zuvor wegen einer Beinverletzung vorzeitig aus dem Wettkampf ausscheiden musste.

Land Turner Club Liga
Armenien Artur Avetisyan
Artur Davtyan
Vahagn Davtyan
TG Saar
KTV Obere Lahn
KTV Straubenhardt
1. Bundesliga
2. Bundesliga Nord
1. Bundesliga
Österreich Vinzenz Höck

Bianca Frysak
Carina Kröll
Jasmin Mader
TSV Buttenwiesen

TSV Tittmoning-Chemnitz
TSV Berkheim
TSV Tittmoning-Chemnitz
2. Bundesliga Süd

1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
Belgien Maxime Gentges
Noah Kuavita
Victor Martinez
Siegerländer KV
Exquisa Oberbayern
TSV Pfuhl
2. Bundesliga Nord
2. Bundesliga Süd
1. Bundesliga
Kanada Felix Dolci KTV Straubenhardt 1. Bundesliga
Tschechische Republik Lucia Trnkova TT Kiehn Group Lüneburg-Buchholz 1. Bundesliga
Spanien Nestor Abad
Thierno Diallo
Nicolao Mir
Joel Plata
Rayderlay Zapata
TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau
TuS Vinnhorst
TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau
KTV Straubenhardt
TuS Vinnhorst
1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
Finnland Oskar Kirmes TG Allgäu 3. Bundesliga Süd
Frankreich Benjamin Osberger TG Saar 1. Bundesliga
Großbritannien Courtney Tulloch

Ruby Evans
Poppy-Grace Stickler
Siegerländer KV

MTV Stuttgart
MTV Stuttgart
2. Bundesliga Nord

1. Bundesliga
1. Bundesliga
Griechenland Nikolaos Iliopoulos TG Saar 1. Bundesliga
Irland Adam Steel TSV Grötzingen-Karlsruhe 3. Bundesliga Süd
Italien Yumin Abbadini
Lorenzo Bonicelli
Lorenzo Casali
Matteo Levantesi
StTV Singen
MTV Ludwigsburg
StTV Singen
TG Saar
1. Bundesliga
2. Bundesliga Nord
1. Bundesliga
1. Bundesliga
Kasachstan Milad Karimi TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau 1. Bundesliga
Niederlande Loran de Munck
Jermain Grunberg
Jordi Hagenaar
Casimir Schmidt

Tisha Volleman
KTV Koblenz
KTT Oberhausen
KTV Koblenz
StTV Singen

TT Kiehn Group Lüneburg-Buchholz
2. Bundesliga Nord
3. Bundesliga Nord
2. Bundesliga Nord
1. Bundesliga

1. Bundesliga
Norwegen Marie Kanter-Tideman WKG Neckarau-Hassloch Regionalliga Nord
Schweiz Luca Giubellini
Dominic Tamsel
MTV Ludwigsburg
TSG Grünstadt
2. Bundesliga Nord
2. Bundesliga Nord
Türkei Arican Ferhat
Adem Asil
Ahmet Önder
Kerem Sender
TSV Pfuhl
TSV Pfuhl
TuS Vinnhorst
TSV Buttenwiesen
1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
2. Bundesliga Süd
Ukraine Illia Kovtun
Igor Radivilov
Radomyr Stelmakh
Oleg Verniaiev
KTV Straubenhardt
SC Cottbus
SC Cottbus
TG Saar
1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
1. Bundesliga
Yul Moldauer TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau 1. Bundesliga

Die japanischen Männer feierten zum ersten Mal seit 2015 wieder eine Rückkehr auf das oberste Siegerpodest. Für die Turner aus dem Land der aufgehenden Sonne war es erst der zweite Weltmeistertitel seit 1978. Sie erfüllten damit den sehnlichsten Wunsch von Weltmeister und Olympiasieger Daiki Hashimoto, der seinen Superstar-Status mit zwei weiteren Goldmedaillen im Mehrkampf und am Reck weiter festigte.

Hashimotos außergewöhnliche Ergebnisse ziehen unweigerlich Vergleiche mit dem legendären Kohei Uchimura nach sich, der zwischen 2009 und 2015 zehn Goldmedaillen sammelte. Mit gerade einmal 22 Jahren hat er bereits zehn Medaillen bei Weltmeisterschaften gewonnen, vier davon aus Gold.

«Was die Legende Uchimura in seiner Karriere erreicht hat, ist etwas, das ich anstreben muss, aber es ist nicht etwas, auf das ich mich konzentriere. Ich muss mich mehr darauf konzentrieren, was ich in meiner Leistung tun kann, um mich als Turner zu verbessern», erklärte Hashimoto.

Olympiasieger und Weltmeister unterstrichen ihr Durchhaltevermögen

Bei den Gerätespezialisten unterstrichen eine Reihe von amtierenden Olympiasiegern und Weltmeistern ihr Durchhaltevermögen, so zum Beispiel Artem Dolgopyat aus Israel am Boden, Rhys McClenaghan aus Irland am Pauschenpferd und Liu Yang aus China an den Ringen. Nicht zu vergessen der Chinese Qiu Qiuyuan, Sieger am Stufenbarren und der Brite Jake Jarman, Goldmedaillengewinner am Sprung. Auch zahlreiche Newcomer, ließen mit ihren Darbietungen erahnen, was die Zukunft verspricht: Fred Richard und Khoi Young (beide USA) zum Beispiel oder die beiden Chinesen Zhou Yaqin und Su Weide.

Frankreich und Algerien schrieben Geschichte

Es war auch eine geschichtsträchtige Weltmeisterschaft. Vor allem für Olympia-Gastgeber Frankreich, dessen Frauenteam Bronze gewann und damit zum ersten Mal seit 73 Jahren wieder auf dem Siegerpodest stand und auch für Israel, das dank Dolgopyat seinen ersten Weltmeistertitel errang.

Und auch für Algerien, wo Kaylia Nemour mit ihrem Silber am Sprung als erste WM-Medaillengewinnerin eines afrikanischen Landes in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ihr Vater ist ein in Frankreich geborener Turner, der für Algerien antrat. So sorgte die 16-Jährige aus Saint-Benoît-la-Forêt für den wohl offensichtlichsten Moment der Woche, in dem sich der Kreis schloss. Denn der allererste Weltmeister in Antwerpen, war 1903 Joseph Martinez. Ein in Algerien geborener Franzose.

Von Antwerpen damals zu Antwerpen heute: Der Kreis schließt sich.

10. Oktober 2023
Nils B. Bohl | fig

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