EUROPAMEISTERSCHAFTEN
Worthmann zur EM: «Es ist und bleibt kompliziert»

Als am 31. Dezember 2019 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Fälle von Lungenentzündung mit unbekannter Ursache in der chinesischen Stadt Wuhan informiert wurde, hatte wohl kaum jemand die Dimensionen dessen vor Augen, was folgen sollte. Leidtragender war auch in großem Maße der Sport und mit ihm auch die Turnerinnen und Turner aus den meisten Ländern der Welt. Auch der europäische Turnverband musste seine geplanten Titelkämpfe in Paris und Baku sowie Kiew verschieben, im Dezember dann trotz vieler Absagen der erste zaghafte Versuch von Normalität im türkischen Mersin. Mit dem Fokus auf den anstehenden Olympischen Spielen in Tokio startete der Verband nun unter hohem Aufwand und trotz hoher Corona-Fallzahlen in Basel Stadt den Versuch, den Athletinnen und Athleten die notwendige Plattform wiederzugeben. Über die EM in Basel sprach der DTL Newskanal mit Generalsekretärin Lisa Worthmann vom Europäischen Turnverband. 

Lisa Worthmann steht in Basel Rede und Antwort.

Frau Worthmann, das Podium steht, die Geräte sind aufgebaut, wie groß ist die Erleichterung, dass es jetzt endlich losgehen kann?

«Es ist immer so, dass einem ein großer Stein vom Herzen fällt, wenn es endlich losgeht. Aber in diesem Jahr gilt das ganz besonders, weil sich für uns und das Organisationskomitee wie auch für die gesamten Teilnehmer die Vorbereitung unter COVID-Bedingungen doch extrem erschwert dargestellt hat. Die Letzten von ihnen sind am Montagabend angereist, insofern sind wir jetzt froh, dass es endlich losgehen kann».

Haben die Erfahrungen, die European Gymnastics mit der Ausrichtung der EM im Dezember in der Türkei gesammelt hat, bei der Planung der EM in Basel geholfen?

«Es ist und bleibt kompliziert. Neben den organisatorischen Hürden gibt es natürlich auch finanzielle. Man darf nicht vergessen, dass es durch die fehlenden Zuschauer und die zusätzlichen Maßnahmen eine riesige Summe gibt, die für die Planung verloren geht. Aber es ist tatsächlich so, dass uns die Erfahrungen aus dem Dezember helfen. Wir hatten dort zwar eine EM mit einer geringeren Beteiligung, dennoch haben wir die gesamten Abläufe schon einmal gesehen und konnten auch in der Zwischenzeit noch einige Dinge anpassen. Ich hoffe nur, es bleibt für uns keine langjährige Routine und wir können diese Erfahrungen im nächsten Jahr wieder zu den Akten legen».

Die Leichtathletik-EM in Polen im März hat sich trotz eines hervorragenden Schutzkonzepts im Nachgang als Corona-Hotspot erwiesen. Haben Sie sich mit diesem Fall in der Vorbereitung beschäftigt, um eventuell Lehren daraus zu ziehen?

«Wir haben uns in der Tat damit beschäftigt. Ich habe sogar selbst nochmal beim Leichtathletikverband angerufen, um noch einmal persönlich zu hören, wie das da abgelaufen ist. Wir kennen uns ja ganz gut, da wir alle zusammen in der Multisport-EM sind. Sie haben uns ihre COVID-Protokolle und Guidelines geschickt und wir haben das mit unseren verglichen. Meine Analyse hat ergeben, dass wir eigentlich nichts ändern müssen. Aber der Fall dort hat uns noch einmal verdeutlicht, dass wir streng sein müssen. Das Risiko liegt vor allem darin, dass Leute die Regeln nicht befolgen. Natürlich haben wir das nie zu 100 Prozent in der Hand. Aber wir sind sehr strikt gestartet, verbunden mit der klaren Warnung, dass man hier auch rausfliegen kann, wenn man sich nicht an die Regeln hält. Denn eine einzige Person allein kann schon ein Risiko für sehr viele Menschen in die Halle bringen. Eine Garantie gibt es allerdings nicht. Das ist leider so».

Stand die EM aufgrund der großen Belastungen oder der steigenden Corona-Werte jemals am Rand einer Absage?

In der St. Jakobshalle herrscht Maskenpflicht.
In der St. Jakobshalle herrscht strikte Maskenpflicht.

«Es gab immer Diskussionen um die Lage. Tatsächlich war es aber auch immer so, dass der Kanton und die Stadt Basel immer der Meinung waren, dass sie, das wir es schaffen können. Wir haben zwar auch die vergangenen beiden Wochen noch einmal klare Warnungen bekommen, dass wir uns alle an die Richtlinien halten müssen. Auch die Teilnehmer müssen in ihrer Blase bleiben, denn natürlich will auch niemand hier die lokale Bevölkerung in Gefahr bringen. Das Organisationskomitee musste auch eine Zeit lang schauen, wie die Veranstaltung ohne Zuschauereinnahmen finanziell überhaupt machbar war. Aber auch da fand sich irgendwann eine Lösung. Auf der Kippe stand die EM daher eigentlich nie».

Die EM findet ohne Turn-Fans und Zuschauer statt, wie kann man trotzdem teilhaben? Wird es einen Livestream geben?

Auch Maskottchen Luigi muss in Basel Maske tragen.
Auch Maskottchen Luigi muss in Basel Maske tragen.

«Der Livestream ist eigentlich wie immer bei unseren Veranstaltungen. An den Qualifikationstagen kommt er kostenlos von unserem Partner Smart Scoring und basiert auf den Kameras der Kampfrichtersysteme. Man kann also auch das Turngerät auswählen, dass man ansehen möchte. An den Finaltagen streamen wir das Fernsehbild der European Broadcast Union (EBU). Das ist ebenfalls kostenlos. Die Organisatoren vor Ort hatten noch die Idee, eine Virtual Live Audiance einzurichten. Dafür kann man sich Tickets kaufen und dann den Livestream schauen. Allerdings auf eine Art und Weise, dass man selbst in der Halle zu sehen sein wird. Dort hängen diverse Leinwände, die dafür da sind, dass das auch das Publikum gezeigt werden kann. Aber es wird nicht nur zu sehen sein, sondern auch zu hören. Wir fanden diese Idee nicht schlecht, um ein bisschen Stimmung in die Halle zu bringen».

Was muss passieren, damit Sie am 25. April in Basel Ihre Zelte abschlagen und sagen, trotz der ganzen zusätzlichen Anstrengungen war Basel 2021 eine gute EM?

«Für mich wird es eine gute EM gewesen sein, wenn die Athleten zufrieden mit uns sind und in Basel noch weitere Motivation für das Olympiajahr erfahren haben. Wenn sie durch uns eine hochwertige Umgebung vorgefunden haben und wir von den Wettkämpfen Bilder nach außen tragen konnten, die toll aussahen und spannend waren».

20. April 2021
von Nils B. Bohl

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