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Kurs Süd/Süd-Ost: Tittmoning wird Tittmoning-Chemnitz

Die beiden Mannschaften des TSV Tittmoning werden in der Deutschen Turnliga künftig unter der Bezeichnung «TSV Tittmoning-Chemnitz» an den Start gehen. Diese Namensänderung bestätigten der oberbayerische Bundesligist und die DTL-Geschäftsststelle am Mittwoch unisono. «Es ist doch normal, dass man einer Mannschaft, die seit Jahrzehnten dabei ist, die Ehre wieder zukommen lässt», erklärt Mäzen Andreas Greither im Gespräch mit dem DTL-Newskanal den neuen Namenszusatz der TSV-Riege. Bereits kurz nach dem Rückzug des zweifachen Meisters TuS Chemnitz-Altendorf aus dem Turn-Oberhaus Ende 2017, waren die meisten Spitzenturnerinnen aus Sachsen samt Cheftrainerin Gabi Frehse in Sachen Bundesliga bei den Oberbayern untergekommen.

«Wir schaffen es personell nicht, wir sind kein Bundeszentrum», betonte Greither mit Blick auf die Zukunft. Chemnitz habe mit seiner Top-Mannschaft ohnehin den größten Anteil an dem ganzen Projekt. An der Rollenverteilung ändert sich daher kaum etwas: Die Sachsen zeichnen für das Erstligateam verantwortlich, Tittmoning für die zweite Mannschaft. «Wir arbeiten mit Chemnitz zusammen, es ist ein tolles Verhältnis. Aber natürlich hat jede Zusammenarbeit ihre Grenzen, wenn man 500 km auseinander ist. Aber wir haben ja noch unsere Spanier dabei, mit denen wir auch immer gerne Spaß haben», erzählt Greither. Wie Tittmoning hätten Letztere auch nicht genügend Nachwuchs. «Wie lange wir uns noch eine zweite Mannschaft leisten können, sei dahingestellt. Im Moment bin ich einfach ein bisschen ratlos. Und eigentlich auch ganz froh, dass ich mich ein bisschen zurückziehen und sagen kann, das geht nicht mehr. Wir haben da kein Potenzial mehr», glaubt der bayerische Arzt und Hotelier.

Verantwortung bei der nächsten Generation

So sieht Greither jetzt die Verantwortung vor allem bei der nächsten Generation. «Eigentlich müssten jetzt die Jungen sagen, wir werden Trainer, wir bauen etwas Neues auf», findet er. Aber die hätten eben zumeist auch andere Pläne oder Berufe. Denn ein Trainerjob im Turnen ist in Deutschland nur im Ausnahmefall finanziell attraktiv. «Die Eltern in Tittmoning jammern immer fürchterlich, wenn ich ihnen sage, ihr zahlt eigentlich viel zu wenig, für das, was ihr bei uns trainiert. Ich meine, ich kann doch nicht von einem Trainer verlangen, dass er für ein Butterbrot und ein Ei 50 bis 70 Stunden arbeitet. Wer macht denn da heute noch mit?», fragt der Mäzen. Eine Trainerin müsse «anständigerweise» 4000 Euro verdienen. «Und dann müsste sie auch besser ausgebildet werden. Mit dem A-, B- oder C-Scheinchen, das ist ja gar nichts. Unser ganzes System ist im Moment ganz schwach beieinander. Die Zukunft muss anders aussehen», fordert er.

Die Spanierin Cintia Rodriguez turnte mit dem TSV Tittmoning 2018 im DTL-Finale in Ludwigsburg. | Foto: GES-Sportfoto
Die Spanierin Cintia Rodriguez turnte mit dem TSV Tittmoning 2018 im DTL-Finale in Ludwigsburg.

Die spanischen Trainer zum Beispiel seien fix angestellt, beim Staat, bei der Insel, bei der Region oder den Landkreisen. «Das ist zwar auch nicht riesig, aber sie haben wenigsten ein bisschen Geld», weiß Greither. Darum habe Tittmonings Partner-Trainer Pedro auf Mallorca auch zehn Trainer zur Verfügung. «Der kann natürlich anders arbeiten. Und die Turnerinnen hauen nicht dauernd ab und werden auch nicht ausgespielt. Wenn wir mal eine Trainerin oder eine Turnerin ausgebildet haben, dann kommt gleich einer und denkt, er kann die jetzt nach Stuttgart entführen. Oder wo anders hin. Das macht doch alles keinen Sinn. Dafür bilden wir doch niemanden aus», betont der Oberbayer. In den USA hätten sie in jedem Gym von Anfang an 1000, 2000 oder 3000 Turnerinnen. «Wir haben dagegen ein ganz essenzielles Problem. Das Ehrenamt ist dafür Quatsch. Damit kannst Du so etwas nicht aufbauen», ist der Unternehmer überzeugt. Wenn ihm jemand einen cleveren Weg nennen könnte, wie sich dem Turnen Geld entlocken ließe, Greither wäre ihm nach eigenem Bekunden sehr dankbar dafür.

Doch Tittmonings Probleme sind nach seiner Ansicht nicht lokaler Natur, sondern Ausdruck eines bundesweiten Problems. Der Mangel an Turnerinnen ist für Greither eng verbunden mit dem Trainermangel in Deutschland. «Wir alle haben doch das größte Problem damit, genügend Trainer zu finden», sagt er. Die paar wenigen Leuchttürme am Trainerhorizont reichten nicht aus. «Natalie Pitzka engagiert sich wie wild. Und auch auf Frau Frehse würde das gerne, die will aber keiner haben», weiß er. Das was Frehse passiert sei, sei nicht gut für den Sport gewesen. «Ich schätze die Frau, aber es sind andere Zeiten und da muss man sich anders aufstellen», glaubt er. Das koste allerdings Geld. «Das kostet richtig Geld. Da muss man einen harten Job machen», befürchtet er.

Liga ist «grundsätzlich etwas Tolles»

Dennoch sei es schön, dass es die Liga gebe. Die sei auch grundsätzlich etwas Tolles. Er bekomme aber einfach keine Trainer dafür. «Leider ist es uns aus unterschiedlichsten Gründen nicht gelungen, ausreichend Trainer bereitzustellen. Auch sind wir direkt an der Grenze und müssen unsere österreichischen Turnerinnen als Ausländer deklarieren, weil die DTL es nicht wie im Fußball macht. Da sagt man, 50 km jenseits der Grenze ist es noch ein Heimatverein. Bei einem so dünnen Kader, den wir haben, ist so etwas doch irre», findet er. Die Salzburger Turnerinnen lebten an der Grenze. «Wo sollen die denn sonst trainieren? Die sind bei uns und damit gehören sie auch zu unserem Verein. Und dann müssen sie doch auch für uns starten können und das ohne Ausländerregelung!», ereifert er sich.

Auch Sophie Scheder, Olympia-Dritte am Schwebebalken von Rio 2016, reihte sich 2018 beim TSV Tittmoning ein. | Foto: GES-Sportfoto
Auch Sophie Scheder, Olympia-Dritte am Schwebebalken von Rio 2016, reihte sich 2018 beim TSV Tittmoning ein.

Den Weg über entsprechende Anträge auf der DTL-Mitgliederversammlung freizumachen, ist aus Greithers Sicht ein wenig vielversprechendes Unterfangen. «Wenn ich einen Antrag stelle, dann wird der ohnehin immer gleich abgewimmelt. Da sind die Stuttgarter. Und die sagen, um Gottes willen, dann werden die ja noch stärker und werden am Ende doch noch deutscher Meister», ist er überzeugt. Die Frustration auf Seiten des Arztes für Naturheilverfahren vom Tegernsee ist spürbar. «Ich bin jetzt 75. Was soll das? Das ist doch keine Zukunft. Auf mich darf keiner mehr hoffen», warnt er. Dem von ihm mitaufgebauten Gym Tittmoning will Greither aber dennoch treu bleiben. «Wir strengen uns alle an und versuchen das Beste daraus zu machen! Aber erwarten Sie von einem fast 76-Jährigen nicht mehr, dass er noch die Turnwelt rettet», erklärte er.

09. März 2023
von Nils B. Bohl

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