3. BUNDESLIGA | RSG
Neuling Neulußheim: Nicht nur farblich anders

Neulußheims Cheftrainerin Emanuela Batke betreut in der Leistungsklasse des Traditionsvereins vor allem Zehn- bis Fünfzehnjährige, dazu die Turn-Talentschul-Kinder sowie die sogenannte «Mäusegruppe» – die Basis für den späteren Leistungssport. Kieckebens Welt ist die Wettkampfklasse. Die ist breiter aufgestellt und umfasst auch ältere Gymnastinnen. Gemeinsam bilden sie nun das neue Drittligateam, welches der Verein in der kommenden Saison unter Kieckebens Leitung an den Start schicken wird. Das im Badischen neu eingeführte Level C liegt ebenfalls in ihrer Verantwortung, spielt aber für das Bundesligateam noch keine Rolle. «Eine Zwölfjährige kann mit einer Sechzehnjährigen nicht konkurrieren. Doch wir brauchen die Jüngeren, wenn die Älteren aufhören», sagt sie.
Ein strukturelles Problem
Wie lassen sich Mädchen und junge Frauen über die Schulzeit hinaus im Sport halten? Kieckeben spricht von einem «Infrastrukturproblem». Während andere Nationen mit einem Netz aus Sportschulen arbeiten, gibt es in Deutschland in der RSG dafür nur wenige funktionierende Ansätze. Viele Gymnastinnen hören mit 15 oder 16 Jahren auf, wenn Abitur oder Ausbildung drängen, weiß Kieckeben. «Eltern haben recht, wenn sie fragen, wozu das alles gut sein soll, wenn man später damit kein Geld verdienen kann», räumt sie ein.
Denn sie kennt diese Zwänge aus eigener Erfahrung. Erst mit neun Jahren begann sie mit der Rhythmischen Sportgymnastik, schaffte es dennoch in den Bundeskader, wechselte später in den Tanzsport und gewann dort Europameistertitel. Heute studiert sie Sprach- und Translationswissenschaften in Germersheim, besitzt die A-Lizenz als Kampfrichterin und führt ihre Gruppe mit einer Mischung aus Strenge und Empathie.

Ein Umdenken durch Karlsruhe
Als die Bundesliga in der Rhythmischen Sportgymnastik eingeführt wurde, zögerte man beim TBG Neulußheim. Zu jung waren die eigenen Athletinnen, zu unklar die Perspektiven. Der Verein schaute zunächst von außen zu. Der Wendepunkt kam, als eine der Gymnastinnen für den SSC Karlsruhe in der 2. Bundesliga startete. Kieckeben begleitete sie – und erlebte RSG in der Deutsche Turnliga von innen. Sie war überrascht: Nicht die gewohnte, angespannte Ernsthaftigkeit wie bei Meisterschaften, sondern Jubel, Anfeuerungsrufe, Begeisterung. Ein Wettkampf, der irgendwie auch zugleich ein großes Sportfest war. Von da an stand für sie fest: Auch Neulußheim sollte sich für die DTL öffnen.
Mehr als nur Ergebnisse
Der Aufstieg in die Erste Liga ist das Ziel. Doch noch wichtiger ist Kieckeben, dass ihre Mädchen selbstbewusst auf die Fläche gehen. «Meistens sind es die Kinder selbst, die an sich die größte Erwartungshaltung haben», sagt sie. Um den Druck abzufedern, greift die Trainerin zu ungewöhnlichen Methoden: Ein Stofftier, das symbolisch die Ängste verschluckt, kleine Rituale, die Sicherheit geben sollen. Vor Wettkämpfen erinnert sie ihre Athletinnen an die gelungenen Generalproben: «Wenn es nicht geklappt hätte, hätten wir es rausgenommen.»
Auch optisch will sich Neulußheim abheben. Statt gedeckter Farben tragen die Gymnastinnen in dieser Saison neon-gelbe Trainingsanzüge. «Man darf ruhig auffallen», findet Kieckeben. Nach innen soll das Selbstbewusstsein stiften, nach außen zeigen, dass die Rhythmische Sportgymnastik mehr ist als eine Nische.
Was bleibt
Die Dritte Liga ist das Unterhaus der DTL, aber auch ein Experimentierfeld. Ob daraus eine dauerhafte Perspektive für den TBG Neulußheim und seine Gymnastinnen wird, hängt jedoch eher wenig von Signalfarben ab. Sondern vielmehr davon, ob es gelingt, die Mädchen über die kritischen Jahre hinweg im Sport zu halten. Kieckeben geht es daher nicht allein um Siege oder Platzierungen. Sie sieht die Liga als Investition in die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Athletinnen. «Bundesliga» weckt in Deutschland sofort Assoziationen – ähnlich wie im Fußball. Wer später in einer Bewerbung auf seine sportliche Laufbahn verweist, für den kann «hat Bundesliga geturnt» ein mitentscheidendes Markenzeichen sein, das bleibt – ganz unabhängig von Medaillen oder Tabellenplätzen.