BUNDESLIGA | FRAUEN
Karlsruhe-Söllingen im Neuaufbau

Das Jahr 2020 hatte für den Bundesligisten TG Karlsruhe-Söllingen schon einige Überraschungen parat. Eine davon war, dass in Isabelle Stingl und Emma Höfele gleich zwei Leistungsträger ihren Rücktritt ankündigten. Zum anderen, dass der Auftakt der Deutschen Turnliga (DTL) in diesem Jahr in der Fächerstadt stattfinden wird. 

Erstmals seit 2015 geben sich die besten deutschen Turnerinnen wieder ein Stelldichein in Karlsruhe. Geplant war das nicht. Als aber alle anderen Bewerber für den 7. März Hallenprobleme signalisierten, griff KRK-Vorstand Alexander Bachmayer zu. Doch auch der Bundesligist aus der Talentschmiede am Fächerbad hatte mit der Suche nach einer passenden Austragungsstätte zu kämpfen.

Nachdem das Karlsruher Otto-Hahn-Gymnasium zunächst seine Turnhalle zur Verfügung gestellt hatte, gelang es dem sechsfachen Vizemeister im Nachgang doch noch, die größere Emil-Arheit-Halle zu sichern. Dort starten nun am Wochenende in der 2. Bundesliga (11.30 Uhr) und der Bundesliga (16.00 Uhr) die insgesamt 16 besten Clubs der Frauen. Bundestrainerin Ulla Koch nutzt die Gelegenheit gleichzeitig als Qualifikation für die kommenden Europameisterschaften.

Während Höfele da wohl nur noch auf der Zuschauertribüne sitzen wird, geht Stingl noch ein letztes Mal an die Geräte. Wieviele es genau werden, ist allerdings noch offen. Die 18-Jährige litt in der vergangenen Woche unter einer Mandelentzündung. Für das KRK-Trainerduo Tatjana Bachmayer und Chris Lakeman kommt das zur Unzeit. Denn neben Olympiahoffnung Leah Grießer (Reha) steht auch der eigentlich fest eingeplante Youngster Anna-Lena König nicht zur Verfügung. Die 13-Jährige wurde von Junioren-Bundestrainerin Claudia Schunk aufgrund ihrer Leistungen für das internationale Gymnix Turnier im kanadischen Montreal nominiert.

So werden sich die Turnfans in Karlsruhe an andere Gesichter gewöhnen müssen. Zum Beispiel an die 24 Jahre alte Niederländerin Elze Geurts, die in der vergangenen Saison noch für die KTG Hannover am Start war. Hinzu kommt Maellys Alferi, die mit Marta Bogdanovic und Liliana Bratan Karlsruhes neue Nesthäkchen-Garde bildet. «Vielleicht darf ich Boden turnen», hofft die Durlacherin. «Ich bin natürlich deswegen schon ein bisschen aufgeregt, denn ist einfach großartig in seiner Heimatstadt zu turnen. Und dann noch den ersten Bundesligawettkampf», sagt sie und weiß schon genau, worauf es am Wochenende ankommen wird. «Wichtig wird sein, dass wir alle durchkommen».

Das sieht auch Tatjana Bachmayer so. «Ich denke, dass in diesem Jahr die Aufregung die größte Herausforderung für die meisten der jungen Turnerinnen sein wird», glaubt die Chef-Trainerin aus der Talentschmiede am Karlsruher Fächerbad. Für den Wettkampf hat sie sich eine Strategie zurechtgelegt. «Unsere Leitlinie wird sein, kein Risiko einzugehen und vor allem saubere Übungen abzuliefern. Wir wollen möglichst wenig Stürze kassieren. Dann werden wir sehen, wo wir nach dem ersten Wettkampf tatsächlich stehen», sagt sie.

Youngster Alferi hofft dafür auf den nötigen Rückhalt durch das Karlsruher Publikum. «Ich habe auch meine Familie eingeladen. Meine beiden Freundinnen können leider nicht kommen, weil sie an dem Tag selbst einen Wettkampf haben», erzählt sie. Dabei wären ein paar gedrückte Daumen von Vorteil, denn Alferi hat sich einiges vorgenommen. «Ich werde zum zweiten Mal einen Doppelsalto turnen. Ich hoffe, diesmal in den Stand», sagt sie. Neu sei auch ein Überschlag mit Schraube. Ein bisschen ist das alles noch wie ein Traum. «Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde, dass ich einmal Bundesliga turnen kann», verrät sie und runzelt ein bisschen die Stirn. «Pauline Schäfer, Sophie Scheder und Elisabeth Seitz turnen da auch alle mit. Die sind ja Weltstars. Und dann komme ich daher und bin so klein», zweifelt sie einen Moment, wischt ihre Bedenken dann doch sofort wieder weg. «Ich finde es eine tolle Chance, dass ich jetzt selbst mitturnen kann».

Im Wettkampf werden ihr Alisha Igüs und Marielle Billet ebenso zur Seite stehen, wie Neuzugang Maja Graf aus Grünstadt. «Wir haben uns ganz lange darüber unterhalten, wie wir diese Saison angehen wollen», berichtet Igüs und erzählt weiter: «Wir haben gesagt, dass es unser Fokus sein muss, die anderen Clubs gar nicht so im Auge zu behalten. Wir wollen uns einfach auf uns selbst und die Kleinen fokussieren, damit die erstmal richtig ankommen in der Bundesliga. Sie sind gerade ins kalte Wasser gesprungen und müssen lernen, dass auch Bundesliga gar nicht so schlimm ist. Deswegen muss man sich keinen Druck machen», glaubt die 14-Jährige.

Billet, die wegen einer Verletzung wahrscheinlich nur an einem Gerät zum Einsatz kommt, stellt dennoch klar. «Wir werden aber kämpfen und unser Bestes geben. Auch wenn es in der derzeitigen Situation nicht einfach werden wird», betonte sie. Dass der Wettkampf einen Steinwurf von ihrem Zuhause stattfindet, empfindet sie einerseits als sehr schön. «Andererseits sorgt es bei mir für noch mehr Aufregung, weil Bekannte und Lehrer auch da sein werden. Ich bin sowieso immer total aufgeregt», räumt sie ein. Die neue Saison sieht die Juniorin dabei als Chance, weitere wertvolle Wettkampfroutine zu sammeln. «In diesem Jahr, wo wir auch als Team kleine Ziele haben, kann ich lernen, mich zu beruhigen».

05. März 2020
von Nils B. Bohl

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