WM TURNEN | LIVERPOOL
Partystimmung am ersten Finaltag der Männer

Schon einen Tag vor dem Barren-Finale mit Lukas Dauser vom Meister TuS Vinnhorst, herrschte am Samstag bei Gastgeber Großbritannien Partystimmung auf den Rängen: Denn am vorletzten Tag der Weltmeisterschaften von Liverpool gewann Giarnni Regini-Moran am Boden sein erstes WM-Gold. Der 24-jährige Brite mit Irisch-Italienischen Wurzeln zog im Finale der besten acht Bodenturner mit 14,533 Punkten an den beiden Japanern Daiki Hashimoto (14,500) und Ryosuke Doi (14,266) vorbei. «Ich kann ehrlich gesagt nicht beschreiben, wie ich mich gerade fühle. Ich kann nicht glauben, dass es wirklich passiert ist. Offensichtlich ist es aber passiert. Vielleicht werde ich es bald begreifen, keine Ahnung. Mir fehlen einfach die Worte», rang der neue Weltmeister unter dem Jubel seiner Landsleute um Fassung.

Auch der am Boden zweitplatzierte Mehrkampf-Weltmeister Hashimoto war überrascht von seiner eigenen Performance. «Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, um ehrlich zu sein. Ich bin als Siebter in dieses Finale gegangen, also habe ich weder Druck noch Nerven gespürt. Ich war ziemlich entspannt und habe mich einfach an meine eigene Leistung gehalten. Aber ich habe mein Bestes gegeben, also bin ich sehr glücklich darüber», erklärte er.

Finale am Pauschenpferd

Nicht weniger gejubelt wurde am Pauschenpferd. Nur, dass es diesmal die Fahnen von der nahen Nachbarinsel Irland waren, die im Publikum geschwenkt wurden. Der Grund der Euphorie war die Vorstellung des 23-jährigen Rhys Mc Clenaghan, der mit 15,300 Punkte den WM-Titel mit nach Dublin nahm.  «Weltmeister zu sein klingt für mich unglaublich. Es ist etwas, dem ich mein Leben gewidmet habe. Endlich Weltmeister zu sein, bedeutet, dass sich das alles gelohnt hat», sagte der WM-Dritte von 2019 gerührt. Seinen Schwierigkeitsgrad beim Abgang hatte er für das Finale noch einmal um ein Zehntel erhöht. «Ich habe eine zusätzliche halbe Drehung gemacht, das erfordert ein bisschen mehr Mut», verriet er.

Zweitbester Turner an den Pauschen war der Jordanier Ahmad Abu al Soud, der sich mit 14,866 Punkten gegen den Armenier Harutyun Merdinyan durchsetzte, der im Finale auf 14,733 Punkte kam. «Das Gefühl ist unglaublich. Es war das erste Mal, dass ich mich für ein Finale qualifiziert habe und alle waren so glücklich und stolz deswegen. Und jetzt habe ich im Finale sogar eine Medaille gewonnen. Das ist wie ein wahr gewordener Traum. Ich kann das Gefühl einfach nicht in Worte fassen», strahlte er nach dem Finale. Die Medaille widmete Abu al Soud seinem Land und allen Arabern. «Sie bedeutet sehr viel. Denn noch nie hat es jemand aus einem arabischen Land in ein Finale geschafft und Jordanien hat noch nie eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft gewonnen. Ich bin also der Erste, ich schreibe Geschichte. Es ist einfach unglaublich», sagte er überglücklich.

Der Armenier Harutyun Merdinyan war mit seinen 38 Jahren einer der ältesten Teilnehmer der Welttitelkämpfe von Liverpool. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich am Pauschenpferd noch einmal auf das Siegertreppchen zu turnen. «Für mich ist das Alter nur eine Zahl. Ich fühle mich gut, also kann ich weiterhin Wettkämpfe bestreiten. Ich habe mein ganzes Leben dem Turnen gewidmet und bin sehr glücklich, dass ich immer noch Medaillen gewinnen kann», betonte er. Viele Jahre lang habe er auch alle sechs Disziplinen geturnt. «Im Moment habe ich jedoch ein Rückenproblem, also turne ich nur eine Disziplin», erklärte Merdinyan.

Finale an den Ringen

Zum Abschluss des ersten Finaltages war es die Türkei, die an den Ringen jubeln durfte. Adem Asil vom Bundesligisten TSV Pfuhl gewann seine erste WM-Medaille, die zweite goldene für die Türkei, nach Ibrahim Colak, dem Ringe-Weltmeister von 2019. «Ich kann meine Gefühle nicht erklären. Ich bin so glücklich, weil meine erste WM-Medaille gleich eine Goldmedaille ist», sagte der gebürtige Ägypter nach der Medaillenzeremonie. «Ich habe vor drei Tagen gesagt, dass ich Geschichte schreiben werde. Für mich, für meine Familie und um der Welt zu zeigen, dass ein Ägypter eine Medaille bei der Weltmeisterschaft gewinnen kann», strahlte er.

Neben Asil stand noch ein zweiter Bundesliga-Turner in Liverpool auf dem Treppchen. Der Brite Courtney Tulloch gewann mit 14,733 Punkten Bronze, einen Platz hinter dem Chinesen Zou Jingyuan (14,866). Der Einzug in ein Finale war Tulloch schon öfter gelungen, eine WM-Medaille hatte er aber noch nie mit nach Hause gebracht. «Ich war so nervös da draußen, aber ich habe einfach versucht, cool und ruhig zu bleiben. Ich habe einfach die Übung meines Lebens gemacht. Ich kann es kaum erwarten, mir das Video anzuschauen», sagte er.

Vor so begeisterten Fans zu turnen sei ein total verrücktes Gefühl. «Ich habe nie wirklich an das ‚Heimpublikum‘ und den damit verbundenen Vorteil geglaubt. Bis wir es dieses Jahr bei den Commonwealth Games hatten. Ich wusste, dass wir hier die Hilfe der Zuschauer brauchen würden, denn die Weltmeisterschaften sind ganz anders, viel härter», erklärte er.

05. November 2022
Nils B. Bohl & Laura Mainusch

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