DIE FINALS
Überraschungssieger und Titelsammler in Berlin

Obgleich der Zuschauerzuspruch den ein oder anderen Wunsch noch offen ließ, aus Sicht der Athleten und Verantwortlichen waren die Finals in Berlin in jeder Hinsicht eine gute Veranstaltung. «Es ist toll wieder ein deutsches Event zu haben, bei dem sich auch alle Turner und Turnerinnen präsentiert haben. Der Blick geht jetzt Richtung Heim-EM, wo sich das Team natürlich gut präsentieren möchte. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun, aber die Richtung stimmt», resümierte der neue Sportdirektor des Deutschen Turner-Bunds (DTB), Thomas Gutekunst.

Die Bundestrainer Valeri Belenki, Gerben Wiersma und Isabell Sawade sahen ebenfalls in vielen Bereichen Übungen, die hoffen lassen. Auch DTB-Präsident Alfons Hölzl zeigte sich mit dem Ablauf der Finals sehr zufrieden. «Es war eine sehr gelungene Veranstaltung. Zum ersten Mal waren im Rahmen der Finals alle Olympischen Sportarten aus dem Turnbereich dabei und wir haben großartige Wettkämpfe erlebt. Die sportlichen Leistungen haben sich sehen lassen und machen Hoffnung in Hinblick auf die anstehenden European Championships in München im August», zog der 53-jährige Jurist ein rundum positives Fazit.

Meister am Sprung: Milan Hosseini vom TuS Vinnhorst.

Turnen Männer

Boden
Milan Hosseini | Nick Klessing | Leonard Prügel

Den ersten Titel bei den Finals in Berlin sicherte sich Milan Hosseini vom Meister TuS Vinnhorst am Boden. Seine starke Übung mit dem höchsten Ausgangswert der Konkurrenz bekam mit 14,266 Punkte, eine Top-Wertung, die im weiteren Wettkampfverlauf niemand mehr übertreffen sollte. Nick Klessing (KTV Straubenhardt), der in Berlin bereits 2019 deutscher Vizemeister am Boden wurde und als Punktbester in das Finale am Boden einzog, wiederholte mit 13,700 Punkten seinen Erfolg von vor zwei Jahren. Sichtlich zufrieden mit seiner Übung zeigte sich auch Leonard Prügel vom Tabellenzweiten SC Cottbus, der sich mit 13,600 Punkten den dritten Platz sicherte.

Pauschenpferd
Pascal Brendel | Nils Dunkel | Philipp Herder

Neuer Deutscher Meister am Pauschenpferd ist Pascal Brendel von der KTV Straubenhardt. Der Youngster und deutsche Jugendmeister an diesem Gerät von 2019, zeigte eine starke Übung mit hohem Schwierigkeitsgrad. Damit setzte er sich mit 13,500 Punkten gegen die durchweg erfahreneren Konkurrenten durch. Die Silbermedaille sicherte sich der Favorit und Titelträger am Pauschenpferd der vergangenen drei Jahre Nils Dunkel (TuS Vinnhorst/13,066 Punkte). Ursprünglich auf dem dritten Platz geführt, schob er sich trotz Absteiger nach einer Korrektur der D-Note von Philipp Herder (13,000 Punkte) noch an seinem Vinnhorster Teamkollegen vorbei.

Ringe
Dario Sissakis | Artur Sahakyan | Carlo Hörr

Dario Sissakis von der KTV Straubenhardt holt sich mit 13,666 Punkten den dritten Titel. Mit einer sehr soliden Übung unterstrich er seine starke Entwicklung der jüngsten Zeit. Der Zweite an den Ringen in der Qualifikation, Artur Sahakyan von der Siegerländer KV, kam zwar nicht ganz an seine Vorkampf-Leistung heran, bestätigte aber seine Platzierung (13,166). Auch Carlo Hörr (TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau) leistete sich Unsicherheiten und wurde mit 12,933 Punkten Dritter. Der Punktbeste der Qualifikation und Favorit an den Ringen, Marcel Nguyen, sagte seinen Start im Finale auf Grund von Schulterproblemen ab. Er wolle «in Hinblick auf die Heim-EM in München kein Risiko eingehen», begründete der Routinier seine Entscheidung.

Sprung
Nick Klessing | Leonard Prügel | Dario Sissakis

Der zweite Sprung entpuppte sich im Sprungfinale als Schlüssel zum Erfolg. Denn einige Turner zeigten in der Max-Schmeling-Halle gerade dort Nerven. Mit zwei sehr guten Sprüngen (14,700 und 14,000 Punkte) zeigte Nick Klessing von der KTV Straubenhardt die größte Konstanz und holte sich so den deutschen Meistertitel. Zweiter wurde mit insgesamt 13,949 Punkten Titelverteidiger Leonard Prügel vom SC Cottbus. Dem Geburtstagskind des Tages, Dario Sissakis (KTV Straubenhardt), missglückte bei seinem zweiten Sprung die Landung. Dennoch reichte es mit insgesamt 13,916 Punkten noch für die Bronzemedaille.

Barren
Philipp Herder | Glenn Trebing | Andreas Toba

Dass auch im Turnen alles passieren kann, zeigte sich im Barren-Finale bei den Männern. In der Qualifikation noch Punkt-Bester, musste Mehrkampf-Meister Lukas Dauser sich nach einigen Unsicherheiten in der Übung und einer nicht gestandenen Landung mit Rang vier zufriedengeben. Nach seinen beiden zweiten Plätzen bei den Deutschen Meisterschaften 2019 und 2021 turnte sich Philipp Herder diesmal mit 14,266 Punkten an die Spitze. Zweiter wurde, nach Bronze im Mehrkampf, Glenn Trebing vom TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau. Dieser freute sich nach seiner in den Stand geturnten Übung (14,200 Punkte) sichtlich, unterstrich diese doch seine gute Entwicklung der vergangenen Jahre. Bronze ging mit 13,733 Punkten an den Trebings Mannschaftsgefährten Andreas Toba, der sich mit einer technisch sehr sauberen Übung im Finale präsentierte.

Reck
Carlo Hörr | Andreas Toba | Leonard Prügel

Carlo Hörr bestritt den Auftakt im Gerätfinale am Reck und behielt seine Führung bis zum Ende: Mit 13,833 Punkten die Titelverteidigung. Auch bei Andreas Toba war die Freunde nach seiner Übung groß. Der Routinier turnte erneut technisch gut und landete seine Übung in den Stand. Mit 13,700 Punkten holte er sich somit Silber vor Leonard Prügel, der im Abgang einen sicheren dreifachen Salto zeigte und 13,333 Punkte erhielt.

„Finals“ ART-DM-2022-Berlin: Bui, Kim + Seitz Elisabeth
Zweimal Meister: Kim Bui vom MTV Stuttgart kann's noch immer.

Turnen Frauen

Sprung
Sarah Voss | Karina Schönmaier | Lona Häcker

Mehrkampfmeisterin Sarah Voss vom Bundesligisten TZ DSHS Köln, setzte ihren Wettkampf fort, wie sie ihn am Tag zuvor beendet hatte: Im ersten Gerätfinale der Frauen, dem Sprung, setzte sie sich deutlich mit 13,066 Punkten von der Konkurrenz ab. Zwei sehr saubere Sprünge zeigt auch die 17-jährige Karina Schönmaier vom Bundesliga-Aufsteiger TT Kiehn Group Lüneburg-Buchholz und wurde dafür mit dem zweiten Platz belohnt. Das Podium komplettierte Lona Häcker vom Zweitligisten TSV Berkheim (12,233 Punkte).

Stufenbarren
Kim Bui | Elisabeth Seitz | Emma Malewski

Dass der Titel nach Stuttgart gehen würde, war am Stufenbarren schon kurz vor der letzten Wertung bereits klar: Nur 0,1 Punkte trennten am Ende die alte und neue deutsche Meisterin Kim Bui zwischen den Holmen von ihrer Teamkollegin Elisabeth Seitz. Nach ihrem unfreiwilligen Abgang vom Gerät am Vortag im Mehrkampf, zeigte die 33-Jährige vom MTV Stuttgart eine sehr schwierige Übung und legte damit die Grundlage für 13,600 Punkte und den Titel. «Die Titelverteidigung ist sensationell, ich freue mich. Nach meinem Sturz gestern, habe ich heute nochmal alle Sinne geschärft und gut durchgeturnt», freute sie sich. Auch Teamkollegin Elisabeth Seitz turnte sehr sauber, schien jedoch nach der Übung bereits zu ahnen, dass es an ihrem Paradegerät an diesem Tag nicht ganz zum Sieg reichen würde. Die 28 Jahre alte Lehramtsstudentin konnte sich jedoch auch über Rang zwei freuen. Emma Malewski vom TSV Tittmoning zeigte bei einer ansonsten guten Übung nur eine leichte Unsicherheit bei der Landung. Ihre 12,733 Punkte bedeuteten Platz zwei in der Endabrechnung. Sarah Voss dagegen, die mit der zweitbesten Wertung ins Finale eingezogen war, missglückte die Landung und ging am Ende als Vierte aus der Entscheidung.

Schwebebalken
Pauline Schäfer-Betz | Sarah Voss | Emma Malewski

Das Finale am Schwebebalken Stand im Zeichen der Stürze. Insgesamt fünf der sechs Starterinnen mussten unfreiwillig vom Gerät. Allein Pauline Schäfer-Betz (MTV Stuttgart) blieb fehlerfrei. Allerdings profitierte sie jedoch nicht nur von den Fehlern der Konkurrenz, sondern steigerte sich selbst noch einmal deutlich zur Qualifikation. Mit dem höchsten Schwierigkeitswert im Feld (5,80) brachte sie 13,866 Punkte nach Hause und wurde verdiente Siegerin am «Zittergerät». Die Silbermedaille ging Sarah Voss, die als Punktbeste in das Finale eingezogen war, jedoch in der Übung das Gleichgewicht verlor und wertvolle Punkte liegen ließ. Auch die Drittplatzierte Emma Malewski (TSV Tittmoning/12,666 Punkte) konnte sich am Ende ihrer dreifachen Kosakendrehung nicht auf dem zehn Zentimeter breiten Gerät halten und musste absteigen. Nach Rang drei am Stufenbarren und im Mehrkampf, durfte in Berlin für die 18-Jährige erneut das dritte Siegertreppchen reserviert werden.

Boden
Kim Bui | Sarah Voss | Salina Bousmayo

Im letzten Finale der deutschen Meisterschaften der Frauen sicherte Kim Bui dann mit 13,400 Punkten auch noch den Titel am Boden. Bei Mehrkampfmeisterin Sarah Voss (TZ DSHS Köln) schlichen sich einige Fehler ein,  mit 12,566 Punkten hinter Bui einreihen. Überraschende Dritte wurde Voss‘ Mannschaftskollegin Salina Bousmayo. Die sauber geturnte Übung der 15-Jährige wurde vom Kampfgericht mit 12,533 Punkten belohnt.

„Finals“ ART-DM-2022-Berlin: Bui, Kim + Seitz Elisabeth
Viermal Meister: Überflieger Darja Varfolomeev vom Berliner TSC dominierte die Finals.

Rhythmische Sportgymnastik

Reifen
Darja Varfolomeev | Margarita Kolosov | Helena Ripken

Mit dem Reifen legte Margarita Kolosov gleich zu Beginn eine Top-Wertung vor und setzte mit ihren 33,500 Punkten Teamkollegin Darja Varfolomeev unter Zugzwang. Die frisch gebackene Mehrkampfmeisterin ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und packte ihrerseits zur Qualifikation noch einmal Schwierigkeiten drauf. Mit 34,300 Punkten wehrte sie die Herausforderung ab und sich sammelte Meistertitel Nummer zwei. Hinter der Zweitplatzierten Kolosov machte Helena Ripken das Reifenfinale zum totalen Triumph der Gymnastinnen vom Berliner TSC. Mit 28,650 Punkten verbesserte sie ihre Leistung aus dem Vorkampf und gewann ihre erste Medaille bei deutschen Meisterschaften.

Ball
Darja Varfolomeev | Margarita Kolosov | Helena Ripken

Nach dem gleichen Drehbuch schien das Finale mit dem Ball abzulaufen. Während Margarita Kolosov erneut eine hervorragende Übung turnte (33,600 Punkte), reagierte Varfolomeev mit einem wahren Feuerwerk an Höhepunkten und sicherte sich mit herausragenden 35,300 Zählern den Titel Nummer drei. Motiviert und getragen von ihrem Heimpublikum erwischt auch Helena Ripken einen für sie perfekten Tag. «Es war ein großartiges Erlebnis und ich bin dankbar, hier turnen zu dürfen. Die Halle und das Publikum waren super und haben mich motiviert und gepusht», kommentierte sie ihre Gefühlswelt nach der zweiten Bronzemedaille.

Keulen
Darja Varfolomeev | Margarita Kolosov | Julia Stavickaja

Das Finale mit den Keulen offenbarte erstmals kleine Konzentrationsfehler bei den beiden Favoritinnen. Trotz den Belastungen der Europameisterschaften in Tel Aviv und dem Mehrkampffinale vom Ende der Woche, reichten Varfolomeev 33,400 Punkten und Kolosov 31,100 Zähler, um das Bild an der Spitze auch am dritten Gerät unverändert zu gestalten. Sichtlich gerührt war am Ende auch Julia Stavickaja von Bremen 1860, die nach einem für sie bis dahin eher durchwachsenen Wettkampf Dritte wurde.

Band
Margarita Kolosov | Malvina Chakyr | Darja Varfolomeev

Eine überraschende Wendung gab es in der Max-Schmeling-Halle noch einmal im letzten Einzel-Finale des Tages mit dem Band. Margarita Kolosov zeigte trotz der Erfahrungen aus den vorangegangenen Geräten erneut Kampfgeist. Mit starke Nerven und eisernem Kampfwillen und turnte sie eine Powerübung mit hohem Tempo. Trotz eines kleinen Fehlers setzte sie sich mit 31,350 Punkten damit an die Spitze. «Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und ich habe bis zum Ende durchgehalten», sagte sie nach dem Wettkampf überglücklich. Denn die Anstrengungen wurden am Ende belohnt: Varfolomeev, die erneut als letzte Gymnastin die Fläche betrat, konnte dieses Mal nicht fehlerfrei dagegenhalten. Zwar konnte sie einen Knoten im Band wieder lösen, verlor dabei aber wichtige Punkte auf dem Weg zum totalen Erfolg. Ihre 28,875 Punkte reichten am Ende «nur» für Rang drei. Zweite wurde mit einer der ausdrucksstärksten Darbietungen des Tages die 15-jährige Debütantin Malvina Chakyr vom Bundesliga-Aufsteiger TSV Schmiden. Mit 29,150 Punkten verbesserte sie sich zudem noch einmal deutlich zur Qualifikation.

26. Juni 2022
Quellen: DTB | nbb

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