TURN-WM 2025 | JAKARTA
WM unter dem Schatten von Politik und Ruhm
Für Japans All-Around-König Oka Shinnosuke ist die Sache klar. Der 21-Jährige, in Paris Doppel-Olympiasieger, hat die Rückkehr längst vollzogen. Unmittelbar nach den Spielen verteidigte er seinen Asien-Titel und gilt in Jakarta als einer der Topfavoriten. «Ich mochte es, als ich noch ein Niemand war», sagte Oka unlängst, «jetzt spüre ich Druck wie nie.» Die Leichtigkeit des Überraschungssiegers von Paris ist verflogen, geblieben ist der Ehrgeiz, sich erneut gegen Chinas etablierte Elite zu behaupten. Dort wiederum will Zou Jingyuan, der Meister am Barren, seine Dominanz bestätigen. Nach einem Sommer der Auftritte und Ehrungen in der Heimat meldete sich der 26-Jährige zurück, mit präzisen, fast mühelos wirkenden Übungen, die ihm den Ruf eines Ausnahmekünstlers eingebracht haben.
Besonderes Augenmerk gilt den Athleten aus Asien. Neben Oka und Zou gehört vor allem der Filipino Carlos Yulo zu den Hoffnungsträgern. Nach zwei Olympiatiteln in Paris auf Boden und Sprung genießt er in seiner Heimat Kultstatus. «Ich will mich gezielt auf die großen Wettkämpfe konzentrieren», sagte der 24-Jährige, der schon wieder nach Gold greift. Sein flinker Stil und die Dynamik seiner Sprünge machen ihn zu einem Publikumsliebling und zu einem der größten Herausforderer der etablierten Kräfte. Auch Chinas Ringe-Spezialist Liu Yang, zweifacher Olympiasieger, meldete sich mit einem nationalen Titel zurück, verzichtet aber auf die Reise nach Jakarta.
Und Simone Biles?
Und Simone Biles? Die wohl bedeutendste Turnerin der Moderne bleibt die große Unbekannte. Nach ihrem Triumph in Paris hat sie zwar kein Comeback angekündigt, einen Abschied jedoch ebenfalls ausgeschlossen. «Ich weiß noch nicht, ob ich 2028 auf der Fläche stehe oder auf der Tribüne sitze», sagte die 27-Jährige jüngst in Buenos Aires. Ihr Schatten liegt über der Szene, als Maßstab, Mythos und Mahnung zugleich. Die WM in Jakarta mag ohne sie stattfinden, doch sie wird von ihr erzählen, von der Kraft, die Turnen heute in all seiner Vielfalt verkörpert, zwischen Athletik und Zerbrechlichkeit, zwischen Rückkehr und Neuanfang.
Doch über all dem schwebt ein Konflikt, der die sportliche Bühne überschattet. Wenige Tage vor Beginn der Wettkämpfe hat die indonesische Regierung den israelischen Turnerinnen und Turnern die Einreise verweigert. Die Entscheidung steht im offenen Widerspruch zu den Statuten des Weltturnverbands FIG, die den Gastgeber zur Visaerteilung für alle Mitgliedsverbände verpflichten. Artikel 26.4 schreibt vor, dass bei Verstößen die Vergabe der Veranstaltung «mit sofortiger Wirkung» zu annullieren ist. Stattdessen begnügte sich die FIG mit einer knappen Stellungnahme, man nehme die Entscheidung «zur Kenntnis» und hoffe auf ein «zukünftiges Umfeld», das sportliche Teilhabe garantiere.